Schießstätte 12, 6800 Feldkirch (A)



Zusammen Wohnen



Seit einiger Zeit hört man immer häufiger, dass es auch andere Lebensformen als das konventionelle Familienleben gibt, oder dass dies zumindest nicht das einzige Ziel ist.

Junge Menschen, die in das Berufsleben eintreten, Menschen, die allein, aber nicht einsam leben wollen, AlleinerziehendInnen, aktive RentnerInnen, erklären offen, dass sie anders leben wollen, und stellen fest, dass der derzeitige Wohnungsmarkt ihren Bedürfnissen nicht entspricht. In den Städten gibt es einige sehr attraktive Beispiele für diese neuen Modelle. Aber auch hier, in Städten mit weniger als 50.000 Einwohnern, gibt es diesen Bedarf, und der Markt reagiert noch nicht darauf. In diesem Abschnitt wollen wir dieses Thema analysieren, immer mit der Hilfe aller, die sich daran beteiligen möchten.







Haus in der Sonne. Emilie Winkelmann, Berlin 1875-1951

Diese deutsche Architektin, die erste freiberufliche Architektin Deutschlands,  die im Jahr 1912 ein Atelier mit 15 angestellte MitarbeiterInnen leitete, baute unter vielen anderen das bekannte Apartmenthaus in Berlin Leistikowhaus, im Jahr 1914 das Haus der Frau in Leipzig, den Lyceum-Klub in Berlin und Wohnungen für berufstätige Frauen in Postdam:

Das Haus war von 1914 bis in die 40er Jahre Alterssitz, aber auch Sehnsuchts- und Zufluchtsort von berufstätigen, alleinstehenden Frauen. Die Voraussetzungen für den Bau bietet die 1912 gegründete „Genossenschaft für Frauenheimstätten“, die durch das Pestalozzi-Fröbel- Haus, die Lehrerpensionskasse sowie etliche Privatpersonen unterstützt wird.

Arbeitenden alleinstehenden Frauen, die als Nomaden in möblierten Zimmern leben mussten, wurde zum ersten Mal in einer Frauengenossenschaft die Möglichkeit geboten, selbst eine Wohnung zu mieten. Dieses Modellprojekt wurde ein solcher Erfolg, dass weitere Häuser ähnlicher Art in Hamburg, Hannover und Köln entstanden. Das Haus in der Hermann-Maaß-Straße 19/20 ist also ein geradezu prädestinierter Ort, um eine mutige und unangepasste Frau zu ehren.

Emilie Winkelmann hatte für die Frauen ihrer Zeit kleine Ein- und Zweizimmerwohnungen projektiert mit Küche, Bad und Zentralheizung. Dazu gab es einen Gemeinschaftsraum, in dem man sich treffen und gemeinsam speisen konnte. Das Haus wurde später noch durch Bauten im Karree um einen Gemeinschaftsgarten erweitert, sodass 36 Mietparteien darin Platz haben. Der Komplex gehört jetzt zum Bauverein Babelsberg e.G., der es 2005 sanieren ließ. Heute leben zwar noch eine ganze Reihe Einzel-Frauen im „Haus in der Sonne“, wie es von der Frauengenossenschaft 1914 genannt wurde, doch die Bewohner sind gut gemischt, meint Josefine Weidner. Sie ist mit ihren 90 Jahren das älteste Genossenschaftsmitglied und wohnt schon seit 1975 in der sehr grünen und ruhigen Straße. (Postdamer, Neueste Nachrichten 2012)

Das „Haus in der Sonne“ beherbergt ab nun auch Familien mit Kindern. Die genossenschaftliche Eigentümerschaft, bietet ihnen bis heute nicht nur die einzigartige Lage, sondern auch die Vorteile gemeinschaftlichen Wohnens mit Mietsicherheiten und Dauernutzungsrechten.

Ihre Freundschaft mit der wohlhabenden Unternehmenwitwe und Frauenrechtlerin Ottilie von Hansemann war wesentlich, um die Unterstützung von Kaiserin Viktoria zu gewinnen und mit ihrer Hilfe als Schirmherrin eine Wohn und Bildunsgstätte für Frauen zu errichten: Viktoria-Studienhaus.  Zu dieser Zeit waren in Preußen, im Unterschied zu den anderen Ländern des Deutschen Kaiserreichs, Frauen noch nicht zum Hochschulstudium zugelassen.

Kurz nach Fertigstellung des Viktoria- Studienhaus bezogen E. Winkelmann. und Ottilie von Hansemann ein von Winkelmann umgebautes Kutscherhaus im Hof des Hauses Fraunhoferstr. 25-27 Charlottenburg, in eine Wohnform, die als Boston Marriage bekannt wurde und die wir heute als Zusammenwohnen bezeichnen würden.




Kollektivhaus. Sven Markelius und Alva Myrdal

Es wurde 1932-1935 von dem Architekten Sven Markelius zusammen mit dem Politiker und späteren Friedensnobelpreisträger Alva Myrdal erbaut.

Entwickelt ein Wohnungsprogramm in der Stadt Stockholm mit Berücksichtigung von Frauen, die berufstätig sind. Die Befreiung von häuslichen Aufgaben, oder zumindest deren Vereinfachung, wird durch ein System der gemeinsamen Nutzung erreicht. Die Apartments haben eine durchschnittliche Nutzfläche von 43 m2 . Sie verfügen über ein separates Restaurant im Erdgeschoss und sind mit einer Miniküche ausgestattet, in der einfache Mahlzeiten zubereitet werden können. Die Mahlzeiten werden über einen Dienstaufzug in die Wohnungen geliefert, der jede zweite Wohnung bedient. Andererseits können sich die Kinder mit anderen Kindern aus der Nachbarschaft in einem von den Mitbewohnern selbst verwalteten Zentrum innerhalb des Gebäudes treffen und spielen, so dass sowohl die Mutter als auch der Vater vollzeittägig arbeiten können, wenn sie dies wünschen.

Dieses Projekt wurde weithin kritisiert, da es durch das vorgeschlagene kooperative Kinderbetreuungssystem zum Auseinanderbrechen von Familien führen würde, doch in Wirklichkeit haben die nordischen Länder eine höhere Geburtenrate als andere Länder, die sich mehr auf die kostenlose Arbeit von Müttern und Großeltern verlassen.


















Genossenschaftsliches Wohnen am Walkeweg
Februar 2022

Wir haben vor kurzem an einem Wettbewerb in Basel teilgenommen, dessen Ausschreibungs wir besonders ansprechend fanden. Wohnungen für zwei Genossenschaften, die sich zusammenschließen, um ein neues Viertel im Stadtteil Wackel zu schaffen. Ziel ist es, in Gemeinschaft zu leben, Räume zu teilen und nachhaltiger zu leben. Dies war unser Vorschlag.




AGORAZEIN

In dem 1983 erschienen Buch von Luciano De Crescenzo "Geschichte der griechischen Philosophie" steht, dass es im Griechischen ein Wort gäbe, dass nicht einfach in andere Sprachen zu übersetzen sei, das aber das Wesen des Griechentums - von der die europäische Kultur prägenden Antike bis heute - am besten illustriert: agorazein.

Es "bedeutet: 'auf den Markt gehen und hören, was es Neues gibt' - also reden, kaufen, verkaufen und seine Freunde treffen; es bedeutet aber auch, ohne genaue Vorstellungen aus dem Haus zu gehen, sich in der Sonne herumzutreiben, bis es Zeit ist zum Mittagessen, oder so lange zu trödeln, bis man Teil eines menschlichen Magmas aus Gesten, Blicken und Geräuschen geworden ist.

Quelle: Carl Auer Verlag.de

Das Leben spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab, von den privatesten Räumen bis zum öffentlichen Platz und auf allen Wegen, die von dem einen zu dem anderen führen. Je reicher und vielfältiger diese  Verbindungen sind, desto reicher sind unsere täglichen Erfahrungen. Die Graduierung von Räumen ist das Hauptthema unseres Vorschlags. Die halboffenen Zwischenplätze sind als Treffpunkte formuliert. Einige von ihnen werden auf Wunsch der Einwohner inangenehme Ecken umgewandelt, in denen man einen Kaffee trinken und mit den Nachbarn plaudern kann. Die vier Häuser behalten die in der Planung vorgesehene Ausrichtung bei und sind auf subtile  Weise paarweise gruppiert, um Räume mit unterschiedlicher Atmosphäre und Beziehungsintensität zu schaffen. Die engste Beziehung besteht also zwischen den nächstgelegenen Gebäuden, wo der  Aussenraum reich an Begegnungen ist, mit Laubengängen und Wegen, die diese auch sichtbar machen... Die Begegnungen sind sichtbar und finden nicht in geschlossenen inneren Erschliessung statt.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Komplexes, dem Walkeweg zugewandt, befindet sich ein niedriger  Baukörper, ein Coworking Space oder ein Veloladen.